Obwohl die Schweiz als einer der bedeutendsten Finanzmärkte gilt und einen grossen Einfluss auf das globale Finanzsystem hat, gibt es bis anhin keine zwingenden Vorschriften im Bankensektor zu Clawbacks (Rückforderungsklauseln). Dieser Umstand wurde durch die jüngsten Diskussionen um die Verantwortlichkeit der Führungsmitglieder von systemrelevanten Banken und mögliche Rückgriffe auf bereits vergütete Zahlungen wieder neu aufgerollt.
Neben den Forderungen nach erhöhten Kontroll- und Sanktionsbefugnissen der FINMA wurden auch mehrere parlamentarische Vorstösse eingebracht, welche die Vergütungen von Banken beschränken wollen, und aktuell in den verschiedenen Kammern diskutiert werden. Der Bund überprüft die too-big-to-fail Regulierung derzeit grundsätzlich. Eine strengere Regulierung der Vergütung von Banken könnte die Folge dieser Entwicklungen sein.
Ein Clawback ist eine Rückforderungsklausel, nach der ein Mitarbeitender unter bestimmten Bedingungen das Eigentum an einem variablen Vergütungsbetrag an die Bank zurückgeben muss. Im Unterschied zu anderen Mechanismen, wie z.B. Malus und Verfallsklauseln (Forfeiture), die ebenfalls der Interessensangleichung dienen, bezieht sich der Clawback auf bereits ausgezahlte bzw. gevestete Vergütungen.
Ein Clawback verlängert also die Dauer, während derer Vergütung verringert werden kann, über die reine Laufzeit eines Aufschubes oder Leistungsabhängigkeit hinaus und stärkt damit die Risikoverantwortung.

In Folge der Finanzkrise 2008 wurden weltweit verschiedene Regulierungen eingeführt, um den Bankensektor besser zu kontrollieren und das System insgesamt robuster zu machen. Mitunter wurde die Anwendung von Clawbacks unter der Capital Requirements Directive (CRD) für europäische Banken für alle Risk Taker vorgeschrieben. Jüngst hat auch die SEC in den USA die Vorschriften nochmals verschärft und schreibt seit 2023 allen börsennotierten Unternehmen Clawbacks für die Vergütung der Geschäftsleitung vor. Beide Regulierungen betreffen auch einige Schweizer Unternehmen.
Auch die FINMA hatte 2017 Clawbacks in den Entwurf des revidierten Rundschreibens 2010/1 «Vergütungssysteme» aufgenommen, in der finalen Fassung aber darauf verzichtet. Ein wichtiger Grund für den Verzicht war die Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Durchsetzbarkeit. Die FINMA empfiehlt den Banken, im Falle eines eingetretenen Schadens dennoch zu prüfen, ob in der jeweiligen Situation ein Clawback möglich ist.
Die Durchsetzbarkeit aus arbeitsrechtlicher sowie steuerrechtlicher Sicht ist durchaus komplex. Dies liegt einerseits daran, dass ein Clawback oftmals an ein auslösendes Ereignis gebunden ist, welches den Nachweis eines persönlichen Verschuldens bedingt, z.B. den absichtlichen Verstoss gegen rechtliche oder interne Vorschriften. Hier besteht auch ein Bezug zum Strafrecht, denn möglicherweise kann statt eines Clawbacks ein Schadensersatzanspruch innerhalb der gewohnten Rechtspraxis geltend gemacht werden. Jedoch können auslösende Ereignisse auch ein Restatement des Jahresabschlusses oder ein Versagen des Risikomanagements sein, die nicht direkt auf das Handeln einzelner Personen zurückzuführen sind. Andererseits sind noch viele steuerliche und administrative Fragen offen, z.B. wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen– welche Zugriffsmöglichkeiten bestehen bzw. können bereits abgegoltene Steuern gutgeschrieben werden, sofern ein Clawback angewendet wurde?
Wie viele Clawbacks in der Schweiz bereits durchgesetzt wurden, lässt sich schwer abschätzen. Auf Bundesgerichtsebene gab es im Jahr 2015 bereits einen Fall, in dem eine Vergütung erfolgreich zurückgefordert werden konnte. Trotz der schwierigen Rechtslage haben einige Banken, so wie auch andere Unternehmen, bereits Vergütungspläne eingeführt, die Vergütungen explizit nachträglich zurückforderbar machen.
Betrachtet man die derzeitige Marktpraxis, so sehen gemäss veröffentlichten Informationen ein Drittel der Schweizer Banken Clawbacks vor. Branchenübergreifend steigt die Anzahl der Unternehmen mit Clawbacks mit der Grösse (SMI: 83%, SMIM: 56% und Other SPI: 19%) wobei insgesamt ein positiver Trend von 22% zu 38% zwischen 2018 und 2022 zu beobachten ist.

Die Ausgestaltung der Clawbacks ist bei Banken und anderen Branchen ähnlich und bezieht sich mehrheitlich auf die gesamte variable Vergütung, also sowohl kurzfristige als auch langfristige Elemente. Die durchschnittliche Laufzeit der Klauseln bei Banken beträgt 3 Jahre (Minimum 1 Jahr und Maximum 6 Jahre). Zum Vergleich: Im EU-Raum beträgt die regulatorische Mindestdauer 5 Jahre und in England bis zu 10 Jahre.
Als auslösende Ereignisse werden am häufigsten Fehlverhalten (Banken: 75%, SPI 60%), Verstösse gegen rechtliche oder interne Vorschriften (Banken: 25%, SPI: 55%) und Restatements (Banken: 38%, SPI: 52%) genannt. Anzumerken ist auch, dass 63% der Banken die auslösenden Ereignisse für Clawbacks und Verfallsklauseln nicht trennen (SPI: 72%).
Der Datensatz gibt einen guten Hinweis darauf, wo der Schweizer Bankensektor heute steht: Nicht nur im internationalen, sondern auch im branchenübergreifenden Vergleich zu grösseren und damit komplexeren Unternehmen in der Schweiz besteht eher Nachholbedarf.
Um Clawbacks nachhaltig wirksam zu machen, muss eine entsprechende Rechtssicherheit geschaffen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Diskussion und damit die Klärung der Rechtslage in der Schweiz voranschreitet.
Ungeachtet der offenen Fragen zur rechtlichen Durchsetzbarkeit sollten Banken Clawbacks in ihrer Vergütungsstrategie implementieren, denn Clawbacks:
- sind Teil einer Good Corporate Governance, in dem sie die Langfristigkeit stärken und damit die Interessen von Eigentümern und Mitarbeitenden in Einklang bringen.
- haben eine deutliche Signalwirkung, die einerseits die Risikokultur der Bank positiv stärken und andererseits präventiv schädliches Verhalten verhindern können.
- sind integraler Bestandteil einer auf das Risikomanagement ausgerichteten Vergütungssystematik, die Risiko sowohl im Finanzierungsprozess sowie auch in der Verteilungslogik und in den Auszahlungsmodalitäten verankert.
Wie der jüngste Diskurs zur Verantwortlichkeit von ehemaligen Mitarbeitenden gezeigt hat, birgt das Fehlen eines effektiven Clawbacks im äussersten Fall grössere Risiken (z.B. Reputationsschäden) als wenn entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Regulatorik in der Schweiz zur Bankenvergütung entwickelt. Zuletzt hatte das vom Bund in Auftrag gegebene Gutachten der HSG Clawbacks explizit als Möglichkeit zur Korrektur von Fehlanreizen positioniert. Angesichts der vorhandenen Vorteile und der politischen Entwicklungen sind Clawbacks ein Thema, mit dem sich eine Bank proaktiv auseinandersetzen sollte.